Datum: 22.01.2013 Erschienen in: Die Freiheitsliebe Autor:
Welcher Student kennt das nicht? Ein Abgabetermin rückt näher, doch die Seminararbeit ist weit davon entfernt, fertig zu werden oder die Semesterarbeiten stapeln sich und keine Chance in Sicht, diese gut und zeitgerecht abzuliefern. Wer hat in dieser Situation nicht schon einmal darüber nachgedacht, sich ein wenig Hilfe zu organisieren – vielleicht einen Freund, dem das Thema ohnehin schon immer besonders lag, die Arbeit schreiben zu lassen?
Für die Agentur GWriters aus Düsseldorf arbeiten knapp 400 Akademiker, die von der Hausarbeit bis zur Doktorarbeit in allen Studienfächern akademische Arbeiten in Form von Mustervorlagen als Ghostwriter erstellen. Eine einfache Seminararbeit ist so für wenige hundert Euro erhältlich, für eine Doktorarbeit liegt der Preis im fünfstelligen Bereich. Karl Theodor zu Guttenberg hat vorgemacht, wie weit in Deutschland auch ein gekaufter Titel tragen kann. Doch was bedeutet das für den Wert des eigenen Studiums? Wir haben mit den Gründern der Agentur über ihr eigenes Studium und die steigende Nachfrage nach Ghostwriting-Dienstleistungen gesprochen.
Marcel Kopper und seine Kollegen können sich über mangelnde Aufträge nicht beklagen – offensichtlich gibt es an deutschen Universitäten einen steigenden Bedarf für solche Dienstleistungen und auch immer mehr Studenten, die bereit sind, für sie zu zahlen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Je besser die Note umso besser der Abschluss umso größer die beruflichen Möglichkeiten und das Einstiegsgehalt. So kann eine gekaufte Abschlussarbeit durchaus als eine Investition in die Zukunft gesehen werden. Gleichzeitig wirft eine solche Sichtweise die Frage auf: Was ist eigentlich mit den Inhalten? Geht es in einem Studium nicht darum, sich ein tiefes und fundiertes Expertenwissen anzueignen und die eigenen Stärken und Schwächen kennen zu lernen?
Wer heute studiert, findet sich in einem schulähnlichen Studiumsbetrieb wieder, in dem es gilt, so schnell wie möglich die geforderten Creditpoints einzusammeln, um in vier Jahren zum Bachelor zu gelangen. Passé sind die Magister- und Diplomstudiengänge, die erlaubten, das Lerntempo selbst zu bestimmen, auszuprobieren und auch in andere Fächer hinein zu schnuppern, heute geht es vor allem darum, schnell zu sein, Wissen auf Knopfdruck abzuliefern und möglichst wenig links oder rechts zu schauen.
Das selbstständige Lernen, Aufbauen von Lernkontakten und die sinnvolle Organisation von Vorlesungen und Seminaren wurde von dem US-amerikanischen Erziehungswissenschaftler Philip W. Jackson einst der „heimliche Lernplan“ genannt, der häufig hinter einem gescheiterten Magister- oder Diplomstudium steckte. Nicht wenige Studenten waren mit so viel Freiheit schlicht überfordert, wer nicht aus einem akademischen Elternhaus kam, für den war die Welt an der Uni oft fremd und stellte ihn vor unsichtbare Hürden, so die Kritik. Genau damit sollten die in der Bologna-Reform verabschiedeten Bachelor- und Masterstudiengänge Schluss machen – engere Vorgaben, mehr Zeitdruck, weniger Freiheit. Doch genau daraus entstand ein neuer „heimlicher Lernplan“ (taz vom 20.12.2012), in dem es vor allem um bürokratische Organisation geht. Dieses neue Studium nach Plan sollte es auch den Arbeiterkindern leichter machen, sich an der verwirrenden Welt der Universität zurechtzufinden, stellt die Studenten jedoch zugleich vor neue Herausforderungen, die mit dem Verständnis von Inhalten oder gar dem Entwickeln eigener Thesen nur wenig zu tun haben. Wer eine Seminararbeit nicht abgibt, aus welchen Gründen auch immer, kann es nicht wie früher einfach im nächsten Semester wieder versuchen, sondern gilt als durchgefallen. Es ist nur konsequent, dass Studenten nach Möglichkeiten suchen, mit möglichst geringem Aufwand möglichst gut in diesem System zu bestehen.
Niemand hat das so sehr optimiert wie Marcel Kopper mit seinen beiden Kommilitonen – sie organisierten sich in einem gemeinsamen Turbostudium und machten so in nur zwei Jahren ihren Master in Betriebswirtschaftslehre – ein Studium, das mit Bachelor- und Masterstudium und dazugehöriger Ausbildung eigentlich mindestens elf Semester dauert. An der FOM findet das Studium abends und am Wochenende an verschiedenen Ausbildungsstätten statt, da die Studenten tagsüber Vollzeit in ihren Ausbildungsberufen arbeiten, eine Anwesenheitspflicht gibt es nicht. Die drei Freunde teilten sich auf die verschiedenen Veranstaltungen auf, lernten gemeinsam. Wilde Parties, Urlaubssemester oder Ausschlafen waren tabu – so konnte jeder weitaus mehr Prüfungen ablegen als eigentlich vorgesehen – mit Erfolg. Ihre ehemalige Alma Mater nahm ihnen ihren Erfolg übel: Per Gericht verlangte sie, dass die Turbostudenten trotzdem die Studiengebühren für alle elf Semester zahlten.
Doch die Studenten ließen sich nicht beirren und entwickelten aus ihren eigenen Erfahrungen ein Geschäftsmodell. Gemeinsam gründeten sie dieGhostwriter-Agentur Gwriters. Agenturen wie GWriters bieten jenen Studenten, die es sich leisten können, an, für sie akademische Arbeiten zu schreiben. Es liegt auf der Hand, dass sich das das einfache Arbeiterkind von seinem BaföG nicht leisten kann – so schafft das Bologna-System eine neue Ungleichheit, in der akademische Leistung eine käufliche Ware wird. Die Professoren sind machtlos – denn keine Plagiatssoftware kann beweisen, dass der Student die Arbeit nicht selbst geschrieben hat. Kein Wunder also, dass immer mehr Studenten den Weg zu GWriters finden – absolute Diskretion ist gewährleistet, Plagiate werden durch umfangreiche Prüfungen ausgeschlossen und die Ghostwriter zeichnen sich durch geprüftes Fachwissen aus, es finden sich Doktoranden, wissenschaftliche Mitarbeiter und sogar Professoren unter den Autoren von GWriters. Die Freiheitsliebe hat ein Interview mit den Gründern von GWriters geführt.
Die Freiheitsliebe: In der Presse war von Ihrem ungewöhnlichem Turbostudium zu lesen, das Sie mit Ihren damaligen Kommilitonen und heutigen Geschäftspartnern organisiert haben. Man gewinnt den Eindruck, dass es Ihnen gelungen ist, das verschulte Studium mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Wie sind Sie auf diesen Plan gekommen und wie können wir uns das vorstellen?
GWriters: Für uns ist das Leben wie eine Torte und wir wollen mehr als nur einen Krümmel davon abhaben. Dafür sind wir bereit, alles zu geben.
Wir wollten eben keine 08/15 Laufbahn hinlegen wie jeder andere – unsere Ziele waren und sind hoch, wir wollten etwas besonderes schaffen, was so noch niemand geschafft hat.
Der Plan war dabei anfangs noch, 2 Semester gleichzeitig (in einem) zu studieren. Erst im Laufe der Zeit entwickelte sich durch den Teamgeist und die daraus entstandene Dynamik die (noch) schnellere Geschwindigkeit.
Die Freiheitsliebe: Würden Sie Studenten raten, Ihrem Beispiel zu folgen?
GWriters: Das kommt auf die Ziele jedes Einzelnen an sowie auf die Erwartungshaltung, welche man seiner Zeit als Student gegenüber hat. Benötigt man die Zeit noch um geistig oder sozial zu reifen oder einen Selbstfindungsprozess zu durchleben (Was möchte ich werden? Was will ich erreichen? Was ist mir wichtig?), so ist unser Weg mit Sicherheit nicht der Richtige.
Die Freiheitsliebe: Die Idee eines Hochschulstudiums war ursprünglich mal die Vermittlung eines umfassenden inhaltlichen Wissens und der charakterlichen Schulung, zu dem auch das Experimentieren gehörte. Wie sehen Sie Ihr eigenes Studium unter diesem Aspekt?
GWriters: Das inhaltliche Wissen konnten wir aufnehmen. Die Studienzeit war bei uns zwar deutlich kürzer, aber auch deutlich intensiver. Durch diese Extrembelastung aus Turbostudium und Bankausbildung (auch nochmals auf 1,5 Jahre verkürzt) bin ich meines Erachtens nach charakterlich auch gereift. Wo lernt man sonst besser, wie man am besten in einem Team zusammenarbeitet und es auch zusammenhält, oder wie man trotz Niederschlägen weiter an seinen Zielen&Idealen festhält?
Die Freiheitsliebe: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, GWriters zu gründen?
Im Studium ist uns aufgefallen, dass viele Studenten sich sehr schwer tuen, selbst wissenschaftliche Arbeiten zu verfassen. Als ich dann für einen Freund einmal eine Seminararbeit verfasste, kam ich erst darauf, dass man damit auch Geld verdienen kann.
Die Freiheitsliebe: Ist es nicht illegal, wissenschaftliche Arbeiten, die von einem anderen geschrieben wurden, an der Uni einzureichen?
GWriters: Ja, der Studierende unterschreibt meist eine eidesstaatliche Versicherung, dass er die Arbeit selbstständig verfasst hat.
Die Freiheitsliebe: Geben Sie auch eine Art Erfolgsgarantie?
GWriters: Nein, wir liefern unseren Kunden ja nur eine Mustervorlage. Diese ist aber natürlich auf wissenschaftlich hohem Niveau – garantiert.
Die Freiheitsliebe: Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Autoren nicht ihrerseits plagiieren?
GWriters: Wir benutzen u.a. Anti-Plagiatssoftware, welche auch von den Universitäten eingesetzt werden.
Die Freiheitsliebe: Was antworten Sie den Kritikern an Ihrem Geschäftsmodell?
GWriters: Wir bedienen nur die Nachfrage. Akademische Ghostwriter gibt es schon seit eh und je, außerdem schreiben unsere Ghostwriter nicht nur Mustervorlagen für Studenten.
Die Freiheitsliebe: Haben Sie den Eindruck, dass die Verschulung und der Zeitdruck an den Hochschulen dazu führen, dass immer mehr Studenten bereit sind, wissenschaftliche Leistungen einzukaufen?
GWriters: Durch die Bologna-Reform hat sich auf jeden Fall der Druck in den Hochschulen erhöht. Außerdem sind Studenten deutlich ratloser, was wissenschaftliches Schreiben angeht.
Die Freiheitsliebe: Was macht den größten Teil Ihrer Aufträge aus? Hausarbeiten, Referate oder Doktorarbeiten?
GWriters: Die meisten Anfragen kommen aus den Fachbereichen der Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre und Rechtswissenschaften (Jura)
Die Freiheitsliebe: Was müsste man etwa für eine achtseitige Hausarbeit im Bereich Wirtschaftwissenschaften bezahlen?
GWriters: Das kommt darauf an, wie lange Sie Zeit haben. Eine achtseitige Mustervorlage für Ihre Hausarbeit kostet zwischen 500 und 600 Euro.
Die Freiheitsliebe: Hatte der Fall zu Guttenberg Einfluss auf Ihren geschäftlichen Erfolg?
GWriters: Nicht direkt, die öffentliche Wahrnehmung des Ghostwritings nahm jedoch zu.
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